Zulässigkeit einer Schätzung nach der amtlichen Richtsatzsammlung

Abgabenordnung

Darf das Finanzamt einfach auf die amtliche Richtsatzsammlung zurückgreifen, wenn die Kassenführung lückenhaft ist? Ein aktueller BFH-Fall bringt Klarheit.

Die Finanzverwaltung darf bei fehlerhafter Buchführung eine Schätzung der Besteuerungsgrundlagen vornehmen. In der Praxis greift das Finanzamt dabei häufig auf die amtliche Richtsatzsammlung zurück. Doch wie weit darf diese Methode gehen? Der Bundesfinanzhof (BFH) hat dies in einem aktuellen Urteil klargestellt – anhand eines Falls, der sinnbildlich für viele Betriebe im Bargeldgeschäft steht.

Fall

Im Mittelpunkt stand der Diskothekenbetreiber Johnny Cash. Seine Kassenführung war lückenhaft: mehrere offene Ladenkassen, Einnahmen nur auf Zetteln notiert, keine Einzelaufzeichnungen. Das Finanzamt nahm deshalb erhebliche Hinzuschätzungen vor und stützte sich dabei auf die amtliche Richtsatzsammlung.

Das Finanzgericht Hamburg bestätigte dieses Vorgehen zunächst und setzte einen Rohgewinnaufschlag von 300 % an. Johnny Cash legte Revision ein – mit Erfolg.

Die Entscheidung des BFH

Der BFH stellte klar: Kassenmängel bei Bargeschäften berechtigen grundsätzlich zur Schätzung. Die Finanzverwaltung hat aber bei der Wahl der Schätzungsmethode pflichtgemäßes Ermessen auszuüben. Genauere Methoden gehen vor: Zunächst ist ein innerer Betriebsvergleich vorzunehmen (z. B. Vergleich mit Vorjahren). Nur wenn das nicht möglich ist, darf ein äußerer Betriebsvergleich erfolgen.

Jede Schätzung muss nachvollziehbar begründet werden. Fehlt es daran, ist sie rechtsfehlerhaft.

Und besonders wichtig: Der BFH äußerte erhebliche Zweifel an der Verlässlichkeit der amtlichen Richtsatzsammlung für atypische Betriebe wie Diskotheken

Bedeutung für die Praxis

Die Entscheidung zeigt deutlich: Die Richtsatzsammlung bleibt zwar ein zulässiges Hilfsmittel, doch ihre Aussagekraft ist begrenzt. Vor allem bei Betrieben, die nicht in die klassischen Gewerbeklassen passen, kann sie nicht unkritisch herangezogen werden.

Bei Schätzungen sollte daher geprüft werden, ob ein innerer Betriebsvergleich möglich ist. Die Finanzämter müssen ihre Schätzung transparent und nachvollziehbar darlegen.

Steuerpflichtige haben gute Chancen, sich erfolgreich gegen pauschale Zuschätzungen auf Basis der Richtsatzsammlung zu wehren.

Fundstelle

BFH-Urteil, 18.06.2025, X R 19/21

 

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