Zugangsvermutung, auch wenn Post regelmäßig nicht an allen Werktagen zugestellt wird

Abgabenordnung

Gilt die Zugangsvermutung gemäß § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO auch, wenn der vom Finanzamt beauftragte Postdienstleister an einem Werktag innerhalb der Dreitagesfrist bzw. Viertagesfrist keine Zustellungen vornimmt? Dazu hat sich der BFH aktuell geäußert.

Hintergrund

Weil sich die Laufzeitvorgaben für die Zustellung von Briefen verlängert haben (Postrechtsmodernisierungsgesetz (PostModG) vom 15.7.2024 (BGBl I 2024 Nr. 236)), wurde auch die Zugangsfiktion gemäß § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO angepasst.

Seit dem 01.01.2025 gilt ein schriftlicher Verwaltungsakt am vierten Tag nach Aufgabe zur Post als bekannt gegeben.

Bis zum 31.12.2024 galt eine 3-Tagesfiktion.

Urteilsfall

In einem Fall aus dem Jahr 2018 wurde ein Steuerbescheid am 15. Juni zur Post gegeben. Er galt somit am 18. Juni als bekanntgegeben. Der am 19. Juli eingelegte Einspruch wurde we-gen Unzulässigkeit zurückgewiesen. Die Einspruchsfrist endete mit Ablauf des 18.07.2018 (§ 108 Abs. 1 AO).

Die Steuerpflichtige klagte und argumentierte, der Bescheid wäre erst nach Ablauf der damaligen Dreitagesfrist zugegangen. Die Post würde unregelmäßig und nicht an allen Werktagen ausgeliefert.

Auffassung des BFH

Der BFH stellt daraufhin erneut klar, dass der Steuerpflichtige eindeutig darlegen muss, warum und wie der typische Ablauf des Zugangs gestört war.

Im vorliegenden Fall war die Klägerin ortsabwesend und hatte ihre Mutter und eine Freundin mit der Leerung des Briefkastens beauftragt. Es konnte jedoch von keinem der Beteiligten glaubhaft gemacht werden, dass der Steuerbescheid sich am 18. Juni nicht im Briefkasten befand.

Die Behauptung, „die Post kommt regelmäßig zu spät“, reicht nicht aus, um die Zugangsvermutung zu erschüttern. Vielmehr müssen konkrete Tatsachen vorgetragen werden.

Unser Tipp: Rechtzeitig Einspruch einlegen, sonst droht ein Haftungsrisiko.

Fazit

Der Umstand, dass der vom Finanzamt beauftragte Postdienstleister an der Anschrift des Bekanntgabeadressaten an einem Werktag innerhalb der Dreitagesfrist -seit dem 01.01.2025 

= Viertagesfrist - keine Zustellungen vornimmt, steht der Zugangsvermutung in § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO nicht entgegen.

Dies gilt auch dann, wenn an zwei aufeinanderfolgenden Tagen keine Postzustellung erfolgt, weil der zustellfreie Tag an einen Sonntag grenzt.

Fundstelle

BFH-Urteil v. 20.02.2025 - VI R 18/22

 

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