Gerd war zu 100 % an einer Kommanditgesellschaft (KG) beteiligt. Im September 2008 erwarb die KG diverse Grundstücke von insgesamt zehn KGs. Deren Kommanditanteile wurden von Gerds leiblichen Kindern gehalten.
Die Grundstücke waren über einen Zeitraum von mehr als fünf Jahren im Eigentum der veräußernden KGs. Die Erwerbe beurteilte das Finanzamt deshalb zunächst als steuerfreie Vorgänge gemäß § 3 Nr. 6 i. V. m. § 6 Abs. 3 GrEStG.
Im Dezember 2008 veräußerte Gerd 94 % seiner Kommanditanteile an der KG. An den Käufer Martin trat Gerd auch seine Gewinn- und Verlustbeteiligung für die bei ihm verbliebenen 6 % bis zum 31.12.2013 ab.
Außerdem unterbreitete er einem weiteren fremden Dritten ebenfalls im Dezember 2008 ein notariell beurkundetes Angebot auf Abschluss eines Kauf- und Abtretungsvertrags über den ihm verbliebenen Kommanditanteil von 6 % innerhalb von sechs Jahren.
Daraufhin versagte das Finanzamt rückwirkend vollständig die Steuerbefreiung für die Grundstückserwerbe aus September 2008 mit der Begründung, dass sich der Anteil von Gerd an der KG innerhalb der Nachbehaltensfrist des § 6 Abs. 3 S. 2 GrEStG um 100 % verringert habe.
Beim Übergang eines Grundstücks von einer Gesamthand auf eine andere Gesamthand wird nach § 6 Abs. 3 Satz 1 i. V. m. Abs. 1 Satz 1 GrEStG die Steuer nicht erhoben, soweit die Anteile der Gesamthänder am Vermögen der erwerbenden Gesamthand ihren Anteilen am Vermögen der übertragenden Gesamthand entsprechen.
Eine Anteilsminderung i. S. d. § 6 Abs. 3 S. 2 GrEStG wird durch die Veräußerung des Gesellschaftsanteils bewirkt, da die Beteiligung am Vermögen der Gesamthand gemindert wird.
Die Fünfjahresfrist (Anwendung bis 30.06.2021) nach § 6 Abs. 3 S. 2 GrEStG beginnt mit der Verwirklichung des begünstigten Erwerbsvorgangs, mithin im September 2008, unabhängig von der Haltedauer in der übertragenden Gesamthand oder bei deren Gesellschaftern.
Das verbindliche Kaufangebot über die bei Gerd verbliebenen 6 % und die Abtretung der Gewinn- und Verlustbeteiligung haben zu keiner Änderung der Beteiligung am Gesellschaftsvermögen geführt. Sein Anteil am Gesamthandsvermögen betrug weiterhin 6 %.
Insbesondere ist das Risiko einer Wertminderung durch das Kaufangebot nicht auf den Vertragspartner übergegangen.
Die Abtretung der Gewinn- und Verlustbeteiligung hatte nach dem Gesellschaftsvertrag der KG außerdem keine Auswirkung auf die Verteilung des Abwicklungsgewinns und des Reinvermögens.
Der BFH entschied deshalb, dass die Steuervergünstigung nach § 6 Abs. 3 Satz 1 i. V. m. Abs. 1 Satz 1 GrEStG nicht vollständig, sondern nur in Höhe von 94 % rückwirkend entfällt.
Hinweis
Die Entscheidung ist zur Rechtslage bis zum 30.06.2021 ergangen. Danach wurde die Beteiligungsgrenze für Ergänzungstatbestände von 95 % auf 90 % und der Betrachtungszeitraum von fünf auf zehn Jahre verlängert.
Fundstelle
BFH-Urteil vom 12.01.2022, II R 4/20