Teilentgeltliche Übertragungen von Immobilien

Einkommensteuer

Liegt ein privates Veräußerungsgeschäft vor, wenn eine Immobilie im Wege der vorweggenommenen Erbfolge unter Übernahme eines Restdarlehen übertragen wird? Das FG Niedersachsen hat diese praxisrelevante Frage entschieden.

Das Niedersächsische Finanzgericht musste sich mit einem in der Praxis häufig vorkommenden Fall im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge auseinandersetzen.

Im Urteilsfall hatten die Eltern im Jahr 2014 eine Immobilie erworben, die sie per Darlehen finanziert und ab Erwerb vermietet haben. Die Eltern übertrugen im Jahr 2019 die Immobilie auf ihre Tochter, die das Restdarlehen übernahm. Das Restdarlehen war niedriger als der Betrag, den die Eltern ursprünglich für das Haus bezahlt haben.

Finanzamt unterstellt privates Veräußerungsgeschäft

Damit lag aus ertragsteuerlicher Sicht eine teilentgeltliche Übertragung vor. Das Finanzamt nahm hier ein privates Veräußerungsgeschäft an. Es teilte die Übertragung in einen entgeltlichen und einen unentgeltlichen Teil auf. Das Aufteilungsverhältnis ergab sich aus dem Verkehrswert im Zeitpunkt der Übertragung und dem übernommenen Restdarlehen.

Vom Veräußerungserlös (Restdarlehen) zog das Finanzamt dann die um in Anspruch genommene Abschreibung geminderten Anschaffungskosten, soweit sie auf den entgeltlichen Teil entfielen, ab. Den sich dann ergebenden Veräußerungsgewinn unterwarf es der Besteuerung.

Dagegen wehrten sich die Eltern.

Finanzgericht lehnt eine Besteuerung ab

Das Niedersächsische Finanzgericht gab ihnen Recht. Auch teilentgeltliche Übertragungen von Immobilien im Wege der vorweggenommenen Erbfolge – jedenfalls unterhalb der historischen Anschaffungskosten – sind keine tatbestandlichen Veräußerungen i. S. d. § 23 EStG. Steuergegenstand der Regelung in § 23 Abs. 1 Nr. 1 EStG sind realisierte Werterhöhungen oder Wertminderungen aus verhältnismäßig kurzfristigen Umsatzgeschäften von Immobilien im Privatvermögen. Bei Übertragungen von Immobilien im Wege der vorweggenommenen Erbfolge – jedenfalls unterhalb der historischen Anschaffungskosten – kann es zu keinem "realisierten Wertzuwachs" kommen, der der ertragsteuerlichen Besteuerung zugänglich ist. Anderenfalls unterläge ein fiktiver steuerlicher Ertrag, nämlich aus einem reinen Vermögenstransfer im Wege der vorweggenommenen Erbfolge als Anknüpfungspunkt ohne einen positiven Cashflow beim Übertragenden zusätzlich der Ertragsteuer.

Doppelbesteuerung mit Erbschaft- und Ertragsteuer

Zugleich entstünde eine tatsächliche Doppelbesteuerung des identischen Sachverhaltes einerseits in der Ertragsteuer nach § 23 EStG als "privates Veräußerungsgeschäft" und andererseits nach § 7 ErbStG als "gemischte Schenkung" von den Eltern an ihre Tochter. Tatsächlich realisierten die "Schenker" gar keinen tatsächlichen Wertzuwachs. Der Ertragsteuer unterliegen keine Vermögensverschiebungen im Privatvermögen. Deshalb ist der Wertzuwachs nur beim Beschenkten spezialgesetzlich im ErbStG wegen der damit verbundenen Vermögensverschiebung als Anknüpfungskriterium der Steuer zu unterwerfen.

Kein Wertzuwachs bei den Eltern

Die Eltern verfügten am Tag vor der Übertragung über eine Immobilie, die durch Tilgung des Darlehens in den Jahren 2014 - 2019 teilweise lastenfrei war. Durch die Übertragung auf die Tochter ist ihr Vermögensbestand vermindert und nicht erhöht worden. Bei ihnen entstand kein Wertzuwachs.

Letztlich versucht die Finanzverwaltung hier in den Augen des Finanzgerichts einen rein fiktiven Wertzuwachs der Besteuerung zu unterwerfen. Dies geschieht rechnerisch durch die Heranziehung nicht der Anschaffungskosten, sondern des Verkehrswertes der Immobilie. Die Besteuerung von fiktiven Einkünften entspricht indes nicht den Grundprinzipien des Einkommensteuerrechts und stellt zugleich einen Verstoß gegen die Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit dar. Der Kläger ist durch die Übertragung auf seine Tochter gerade nicht leistungsfähiger geworden.

Revision eingelegt

Das Finanzgericht hat die Revision gegen das Urteil zugelassen, die die Finanzverwaltung auch eingelegt hat. Das Verfahren ist unter dem Az. IX R 17/24 beim BFH anhängig.

Praktikerwissen

Ähnlich gelagerte Fällen sollten unter Berufung auf das Aktenzeichen beim BFH mit dem Einspruch angefochten und offengehalten werden, wenn das Finanzamt ein privates Veräußerungsgeschäft annimmt und einen fiktiven Gewinn der Besteuerung unterwirft.

Fundstelle

Urteil des Niedersächsischen FG, 29.05.2024, 3 K 36/24

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