Inkongruente Gewinnausschüttungen
Es kann vorkommen, dass die Gewinnbeteiligung eines GmbH-Gesellschafters einer GmbH abweichend von der gesellschaftsrechtlichen Beteiligung ausgestaltet werden soll. Die Finanzverwaltung steht solchen Gestaltungen kritisch gegenüber und stellt an die steuerliche Anerkennung solcher (inkongruenter) Gewinnausschüttungen hohe Anforderungen.
BFH widerspricht Auffassung der Finanzverwaltung
Mit Urteil vom 28.09.2022 VIII R 20/20 hat der BFH entschieden, dass ein punktuell satzungsdurchbrechender Beschluss über eine inkongruente Vorabausschüttung zivilrechtlich wirksam ist. Er muss als Grundlage für die Besteuerung herangezogen werden.
Das Urteil betraf den Fall, in dem der Beschluss einstimmig von der Gesellschafterversammlung einer GmbH gefasst wurde und nicht angefochten werden kann.
Der BFH widersprach mit diesem Urteil der bis dahin geltenden Auffassung der Finanzverwaltung.
Finanzverwaltung erkennt inkongruente Gewinnausschüttungen an
Das BMF hat nun sein Schreiben zur steuerlichen Anerkennung inkongruenter Gewinnausschüttungen überarbeitet.
Die Finanzverwaltung erkennt nun inkongruente – also vom Anteil am Grund- oder Stammkapital abweichende – Gewinnausschüttungen steuerrechtlich grundsätzlich an. Dies setzt aber, den BFH-Grundsätzen folgend, zwingend voraus, dass sie zivilrechtlich wirksam sind.
Wie bisher ist die steuerliche Anerkennung in den Fällen einer abweichenden Regelung der Gewinnverteilung im Gesellschaftsvertrag sowie einer vorliegenden Öffnungsklausel für eine abweichende Gewinnverteilung im Gesellschaftsvertrag grundsätzlich gegeben.
Punktuell satzungsdurchbrechender Beschluss
Die Finanzverwaltung reagiert auf die BFH-Rechtsprechung und erkennt nun auch einen punktuell satzungsdurchbrechenden Beschluss über eine inkongruente Vorabausschüttung steuerlich an.
Dieser muss von der Gesellschafterversammlung mit den Stimmen aller Gesellschafter gefasst worden sein und darf von keinem Gesellschafter angefochten werden können.
Ein steuerlich anzuerkennender punktuell satzungsdurchbrechender Beschluss liegt vor, wenn sich seine Wirkung in der betreffenden Maßnahme erschöpft und nicht die Satzung mit Wirkung für die Zukunft ändert.
Bei einem satzungsdurchbrechenden Gesellschafterbeschluss, der eine gewisse Dauerwirkung entfaltet, sind darüber hinaus alle materiellen und formellen Bestimmungen einer Satzungsänderung einzuhalten.
Gespaltene Gewinnverwendung bzw. zeitlich inkongruente Gewinnausschüttung
Auch zu gespaltenen Gewinnverwendungen bzw. zeitlich inkongruenten Gewinnausschüttungen arbeitet die Finanzverwaltung BFH-Rechtsprechung ein (BFH-Urteil vom 28.09.2021 VIII R 25/19). Ein zivilrechtlich wirksamer Gesellschafterbeschluss kann grundsätzlich steuerlich anerkannt werden, der den Gewinnanteil des Mehrheitsgesellschafters in eine gesellschafterbezogene Gewinnrücklage einstellt, obwohl zugleich die Gewinnanteile von Minderheitsgesellschaftern ausgeschüttet werden.
Aktiengesellschaft
Bei einer AG ist für die steuerliche Anerkennung einer inkongruenten Gewinnausschüttung unverändert erforderlich, dass bereits die Satzung einen vom Verhältnis der Anteile am Grundkapital abweichenden Gewinnverteilungsschlüssel festlegt und die Ausschüttung diesem Verhältnis entspricht. Eine bloße Öffnungsklausel in der Satzung oder ein satzungsdurchbrechender Beschluss können die steuerliche Anerkennung einer inkongruenten Gewinnausschüttung nicht begründen.
Hinweis
Das aktuelle BMF-Schreiben ist in allen noch offenen Fällen anzuwenden. Auch wenn das BMF-Schreiben – unter Bezugnahme auf den vom BFH entschiedenen Fall – nur von einer Vorabausschüttung spricht, dürften diese Grundsätze auch für jegliche Gewinnausschüttungen gelten.