Rückwirkendes Ereignis beim Realsplitting

Abgabenordnung

Die Stellung des Antrags auf Berücksichtigung der Unterhaltsleistungen als Sonderausgaben durch den Geber samt Einreichung der Zustimmungserklärung des Empfängers ist ein rückwirkendes Ereignis im Sinne der Abgabenordnung.

Realsplitting bezeichnet die Möglichkeit, Unterhaltszahlungen an den dauernd getrennt lebenden oder geschiedenen Ehepartner bis zu einem Betrag von 13.805 EUR im Kalenderjahr als Sonderausgaben abzusetzen. Im Gegenzug muss der Empfänger die Unterhaltszahlungen als sonstige Einkünfte nach § 22 Nr. 1a EStG versteuern. Stimmt der Empfänger nicht zu, bleibt für den Unterhaltsleistenden nur noch der Abzug der Unterhaltsleistungen als außergewöhnliche Belastung mit deutlich geringerem Höchstbetrag.

Urteilsfall

Die Klägerin Andrea ist am 20.09.2007 von ihrem Ehemann Anton geschieden worden. An diesem Tag schlossen die beiden vor dem Familiengericht einen Vergleich über die Scheidungsfolgen. Darin änderten sie u. a. eine frühere Scheidungsvereinbarung zum Zugewinnausgleich dahingehend, dass Anton sich verpflichtete, Andrea einen Abgeltungsbetrag in Höhe von 10.000 EUR zu zahlen.

Andrea reichte Ihre Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 2007 am 17.07.2008 beim Finanzamt ein ohne Unterhaltleistungen i. S. d. § 22 Nr. 1a EStG zu erklären. Es wurde erklärungsgemäß veranlagt. 
Ihr Ehemann Anton hingegen reichte die Anlage U zusammen mit seiner Einkommensteuererklärung 2007 am 12.02.2010 beim Finanzamt ein. Die Anlage U enthielt auch die Zustimmung der Klägerin Andrea zum Antrag auf Abzug von Unterhaltsleistungen als Sonderausgaben. Ob die Zahlung des Abgeltungsbetrags von 10.000 EUR als Sonderausgaben nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG bei ihm zu berücksichtigen sei, war zunächst zwischen Anton und dem Finanzamt umstritten. Mit Änderungsbescheid vom 15.09.2015 erkannte das Finanzamt diese Zahlung aber als abziehbare Unterhaltsleistung von Anton an.

Anschließend änderte das Finanzamt den Einkommensteuerbescheid von Andrea für das Streitjahr 2007 gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO (rückwirkendes Ereignis) und berücksichtigte die Zahlung der Unterhaltsleistung als sonstige Einkünfte nach § 22 Nr. 1a EStG. Einspruch und Klage der Klägerin, die sowohl auf eine Feststellung der Nichtigkeit, als auch auf die Aufhebung dieses Bescheids gerichtet waren, blieben erfolglos.

Der BFH entschied jetzt: Die Stellung des Antrags auf Berücksichtigung der Unterhaltsleistungen nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG durch den Geber samt Einreichung der Zustimmungserklärung des Empfängers ist bereits das rückwirkende Ereignis i. S. d. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Satz 2 AO. Dieses führt zur Änderung der Einkommensteuerfestsetzung des Empfängers der Unterhaltsleistung nach § 22 Nr. 1a EStG 2007. Auf die tatsächliche Anerkennung der Leistungen als Sonderausgaben beim Geber kommt es nicht an.

Hinweis

Die Entscheidung ist zum Realsplitting nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG 2007 ergangen. Sie betrifft aber ebenso die aktuelle Rechtslage, denn durch das ZollkodexAnpG wurde die Regelung ab 2015 ohne inhaltliche Änderung in § 10 Abs. 1a Nr. 1 EStG n. F. eingefügt.

Fundstelle

BFH-Urteil vom 28.07.2021, X R 15/19

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