Die Freizeit OHG hatte in ihrem Manteltarifvertrag vereinbart, dass den Arbeitnehmern zusätzliche bezahlte Freizeit von zwei Arbeitstagen je vollem Jahr ihrer Betriebszugehörigkeit zusteht, soweit sie dem Betrieb mindestens zehn Jahre ununterbrochen zugehörig waren und das 60. Lebensjahr vollendet hatten.
Vor diesem Hintergrund passivierte die Freizeit OHG in der Steuerbilanz zum 31.12.2016 eine Rückstellung für Altersfreizeit in Höhe von 337.900 EUR. Das Finanzamt vertrat nach einer Betriebsprüfung die Auffassung, dass die Voraussetzungen für die Bildung einer Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten nicht erfüllt seien. Insbesondere liege kein Erfüllungsrückstand seitens der Freizeit OHG gegenüber ihren Arbeitnehmern vor, da diese keine Mehrleistungen erbracht hätten, wie beispielsweise in der Ansparphase im Rahmen einer Altersteilzeitvereinbarung. Das Finanzamt erließ einen geänderten Bescheid für 2016 über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen (Gewinnfeststellungsbescheid). Darin erhöhte es den laufenden Gesamthandsgewinn der Freizeit OHG um 337.900 EUR. Der Vorbehalt der Nachprüfung wurde aufgehoben. Den dagegen gerichteten Einspruch wies das Finanzamt als unbegründet zurück. Zur Begründung führte es aus, es fehle an der Verursachung der ungewissen Verbindlichkeit in der Vergangenheit (vor dem Bilanzstichtag). Die zwischen den Vertragsparteien getroffene Vereinbarung gelte nicht Vergangenes ab, sondern knüpfe nur an Vergangenes an. Dies reiche für die Rückstellungsbildung nicht aus. Die wesentliche wirtschaftliche Verursachung liege in der Zukunft (Vollendung des 60. Lebensjahres des Arbeitnehmers).
Das Finanzgericht und jetzt auch der BFH sahen dieses anders. Zu Unrecht gehe das Finanzamt davon aus, dass kein Erfüllungsrückstand vorliege, da die Arbeitnehmer keine Mehrleistung erbringen. Im Fall der Altersfreizeitrückstellung verpflichte sich der Arbeitgeber im Voraus zu einer höheren Gegenleistung, die er aufgrund der getroffenen Fälligkeitsabrede - Inanspruchnahme unmittelbar vor Renteneintritt - erst zu einem späteren Zeitpunkt erbringe. Aufgrund der Zusatzvereinbarung erhöhe sich der Vergütungsanspruch des Arbeitnehmers. Durch die laufende Arbeitsleistung werde der Schwebezustand insoweit beendet und der Arbeitgeber gerate in Erfüllungsrückstand. Für die Verpflichtung des Arbeitgebers zur Gewährung von Altersfreizeit (von zwei Tagen pro Jahr der Betriebszugehörigkeit), die unter den Bedingungen einer mindestens zehnjährigen Betriebszugehörigkeit des Arbeitsnehmers sowie der Vollendung dessen 60. Lebensjahres steht, ist somit eine Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten zu bilden.
Fundstelle
BFH-Urteil vom 05.06.2024, IV R 22/22