Der BFH hatte in zwei Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes im Mai 2024 entschieden, dass Steuerpflichtige im Einzelfall unter bestimmten Bedingungen die Möglichkeit haben müssen, einen unter dem festgestellten Grundsteuerwert liegenden gemeinen Wert ihres Grundstücks nachzuweisen. Die Beschlüsse betreffen ausschließlich die Grundsteuer im Bundemodell. Bayern, Baden-Württemberg, Hessen, Niedersachsen und Hamburg sind somit nicht betroffen.
Die obersten Finanzbehörden der Länder haben zügig auf diese Beschlüsse des BFH reagiert und bereits am 24.06.2024 Erlasse herausgegeben, durch die ermöglicht werden soll, dass ein niedriger Wert nachgewiesen werden kann. Eine gesetzliche Regelung dazu fehlt im Bundesmodell.
Der niedrigere Wert kommt jedoch nur dann zum Ansatz, wenn ein Verstoß gegen das Übermaßverbot vorliegt. Das bedeutet, dass der vom Finanzamt festgestellte Wert den nachgewiesenen Wert um 40 % oder mehr übersteigt.
Als Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts kann in entsprechender Anwendung des § 198 BewG regelmäßig
- ein Gutachten des zuständigen Gutachterausschusses oder
- ein Gutachten von Personen, die von einer staatlichen, staatlich anerkannten oder akkreditierten Stelle als Sachverständige oder Gutachter für die Wertermittlung von Grundstücken bestellt oder zertifiziert worden sind oder
- der Nachweis eines im gewöhnlichen Geschäftsverkehr innerhalb eines Jahres vor oder nach dem Hauptfeststellungszeitpunkt zustande gekommener Kaufpreises
dienen.
Auch Wertfortschreibung möglich
Laut Erlass ist in Fällen, in denen
- der Grundsteuerwert den nachgewiesenen gemeinen Wert um mindestens 40 % übersteigt,
- der Grundsteuerwert bestandskräftig festgestellt wurde und
- die Feststellung nicht mehr nach den Korrekturvorschriften der Abgabenordnung änderbar ist,
zu prüfen, ob die Voraussetzungen für eine fehlerbeseitigende Wertfortschreibung (§ 222 Abs. 3 BewG) vorliegen. Daher ist auch in den Fällen, in denen kein Einspruch gegen die Grundsteuerwertbescheide eingelegt wurde, eine Änderung möglich, wenn ein Verstoß gegen das Übermaßverbot vorliegt.
Eine fehlerbeseitigende Wertfortschreibung (§ 222 Abs. 3 BewG) könnte allerdings auch dann zum Tragen kommen, wenn der Wert laut Gutachten zwar nicht die Grenzen des Verstoßes gegen das Übermaßverbot überschreitet, wohl aber die Wertfortschreibungsgrenze (§ 222 Abs. 1 BewG). Dafür muss eine Abweichung von 15.000 EUR nach oben oder unten vorliegen.
Aussetzung der Vollziehung (AdV)
AdV soll in allen Fällen gewährt werden, wenn schlüssig dargelegt wird, dass der Grundsteuerwert den Verkehrswert um mindestens 40 % übersteigt. Ein Gutachten ist dafür noch nicht erforderlich.
Fazit
Aufgrund der Erlasse ist ein Nachweis eines niedrigeren Wertes möglich. Allerdings muss die Abweichung zum Finanzamt festgestellten Wert erheblich sein. Daher sollte abgewogen werden, ob sich die Kosten für ein Gutachten lohnen.
Fundstelle
Erlasse der Obersten Finanzbehörden der Länder, 24.06.2024, S 3017, BStBl 2024 I S. 1073