Nachweis der Bekanntgabe eines Steuerbescheids bei Rechtsnachfolge

Allgemein

Welche Anforderungen an die darzulegenden Zweifel sind bei Bestreiten des Zugangs eines Steuerbescheids an den Rechtsvorgänger durch den Rechtsnachfolger zu stellen?

Im Februar 2020 verstarb die Steuerpflichtige. Erbin war eine Stiftung.

Bei der Aufnahme des Nachlasses im Haushalt der Steuerpflichtigen fanden Mitarbeiter der Testamentsvollstreckerin eine gut geordnete Wohnung vor. Die Steuerunterlagen waren in einem büroähnlichen Zimmer chronologisch sortiert.

Es fehlte allerdings der Einkommensteuerbescheid für 2016. In den Unterlagen befand sich lediglich eine Berechnung des zu erwartenden Erstattungsbetrags für die Einkommensteuer 2016. Dieser errechnete Betrag fiel deutlich höher aus als der tatsächlich erstattete.

Das Finanzamt verschickte auf Nachfrage eine Abschrift des Bescheides, gegen den die Stiftung Einspruch einlegte und steuermindernde Kosten in Höhe von 200.000,00 EUR geltend machte. Als Begründung gab sie an, der Bescheid sei nicht bekanntgegeben worden.

Das Finanzamt war der Auffassung, der Einspruch sei nicht innerhalb der Einspruchsfrist eingegangen. Der Einkommensteuerbescheid für 2016 vom 23.10.2017 gelte aufgrund der gesetzlichen Zugangsfiktion als am 26.10.2017 bekannt gegeben. Demzufolge habe die Einspruchsfrist am 27.11.2017 geendet.

Die gesetzliche Zugangsfiktion gem. § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO besagt, dass ein schriftlicher Verwaltungsakt, der durch die Post übermittelt wird, am dritten Tag nach Aufgabe zur Post als bekanntgegeben gilt.

Sie greift allerdings nicht, wenn der Verwaltungsakt nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist.

Die Beweislast für den Zugang trägt die jeweilige Behörde. Dieser Nachweis konnte im vorliegenden Fall nicht erbracht werden.

Weiterhin wäre laut Finanzgericht zu erwarten gewesen, dass die Steuerpflichtige aufgrund der von der Berechnung abweichenden Erstattung Einspruch gegen den Bescheid eingelegt oder zumindest ihren Steuerberater informiert hätte.

Hinzu kommt der Umstand, dass alle Steuerunterunterlagen chronologisch sortiert vorgefunden wurden. Es wäre zu erwarten gewesen, dass auch der Bescheid des Jahres 2016 hier aufbewahrt wird, wäre er ordnungsgemäß zugegangen.

Diese Zweifel bezüglich des Zugangs des Steuerbescheides reichen aus, um die gesetzliche Zugangsfiktion zu erschüttern.

 

Die Revision gegen dieses Urteil ist beim Bundesfinanzhof unter dem Az. VI R 16/24 anhängig.

Fazit

Die Behörde muss den Zugang eines Verwaltungsakts vollständig beweisen. Zweifel des Rechtsnachfolgers am Zugang reichen aus, um die Zugangsfiktion zu erschüttern. Übermäßig hohe Anforderungen sind an die darzulegenden Zweifel nicht zu stellen

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