Hinterziehungszinsen für verkürzte Vorauszahlungen

Abgabenordnung

Hinterzogene Einkommensteuer-Vorauszahlungen sind hinterzogene Steuern i. S. des § 235 AO und können Gegenstand einer eigenständigen Verzinsung sein.

Die Eheleute Müller erstatteten für einen Zeitraum von zehn Jahren Selbstanzeigen und erklärten nicht versteuerte Auslandseinkünfte nach. Das Finanzamt änderte die Einkommensteuerbescheide entsprechend und setzte für die hinterzogenen Steuern Hinterziehungszinsen fest.

Zudem setzte es Hinterziehungszinsen zu den hinterzogenen Einkommensteuer-Vorauszahlungen fest, da die Höhe der Jahressteuer direkten Einfluss auf die Höhe der festgesetzten Einkommensteuer-Vorauszahlungen hatte. Die Hinterziehung der Jahressteuer bewirkte also zusätzlich eine Verkürzung der Steuervorauszahlungen. 

Der BFH entschied, dass auch hinterzogene Einkommensteuer-Vorauszahlungen hinterzogene Steuern i. S. des § 235 AO sind und sie Gegenstand einer eigenständigen Verzinsung sein können (Abschn. 235 Nr. 2.1 AEAO). Die Jahressteuer und die Vorauszahlungen sind jeweils eigenständig zu betrachten.

Entscheidend ist, dass sich die Verzinsungszeiträume nicht überschneiden. Der Zinslauf für die Hinterziehungszinsen auf die verkürzten Steuervorauszahlungen beginnt mit dem jeweiligen Fälligkeitstag (z. B. 10. März, 10. Juni, 10. September und 10. Dezember) und endet in dem Zeitpunkt, in dem nach § 235 Abs. 2 AO der Zinslauf für die Hinterziehungszinsen zur verkürzten Jahressteuer beginnt. 

Für die hinterzogene Jahressteuer beginnt der Zinslauf nach § 235 Abs. 2 Halbsatz 1 AO entweder mit der Bekanntgabe des unzutreffenden Jahressteuerbescheides oder der Fälligkeit der festgesetzten Abschlusszahlung (§ 36 Abs. 4 Satz 1 EStG i. V. m. § 235 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 AO).

Eine unzulässige Doppelverzinsung desselben hinterzogenen Einkommensteuer-Teilbetrags wurde seitens des Finanzamtes also nicht vorgenommen, da die den Festsetzungen zugrunde liegenden Zinsläufe klar voneinander abgegrenzt werden können und sich nicht überschneiden.

Für den (bedingten) Vorsatz, durch die Nichtangabe von Einkünften in der Jahressteuererklärung eines Vorjahres auch Einkommensteuervorauszahlungen gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO zu hinterziehen, ist grundsätzlich erforderlich, dass gegenüber dem Steuerpflichtigen regelmäßig Einkommensteuervorauszahlungen festgesetzt werden und ihm bekannt ist, dass Einkünfte, die in der Einkommensteuererklärung für einen früheren Veranlagungszeitraum nicht angegeben werden, auch für die Festsetzung der Vorauszahlungen nicht berücksichtigt werden.

Die sichere Kenntnis, in welcher Höhe künftige Einkommensteuervorauszahlungen verkürzt werden, wenn in der Jahressteuererklärung eines Vorjahres Einkünfte nicht angegeben werden, ist für die Annahme des Vorsatzes nicht erforderlich.

Fundstelle

BFH-Urteil vom 28.9.2021, VIII R 18/18

zur Übersicht