Zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb gehört nach § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG auch der Gewinn aus der Veräußerung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft, wenn der Veräußerer innerhalb der letzten fünf Jahre am Kapital der Gesellschaft unmittelbar oder mittelbar zu mindestens 1 % beteiligt war, wobei nach § 17 Abs. 1 Satz 3 EStG zu den Anteilen an einer Kapitalgesellschaft unter anderem die Anteile an einer GmbH zählen.
Sachverhalt
Ute und Bernd sind Ehegatten und wurden für das Streitjahr 2015 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt.
Die Klägerin Ute gründete im November 2015 als Alleingesellschafterin die ABC GmbH. Deren Geschäftsgegenstand ist der Erwerb und die Verwaltung von Immobilien. Das Stammkapital betrug zunächst 25.000 EUR. Es war eingeteilt in 25 000 Geschäftsanteile im Nennbetrag von jeweils 1 EUR.
Mitte Dezember 2015 beschloss die Gesellschafterversammlung der GmbH eine Kapitalerhöhung um 1.000 EUR. Hierzu schuf sie einen weiteren Geschäftsanteil im Nennbetrag von 1.000 EUR (Nr. 25 001). Auch diesen Geschäftsanteil übernahm Ute. Beschlussgemäß zahlte sie hierfür neben dem Nennbetrag ein Aufgeld von 500.000 EUR in die freie Kapitalrücklage der GmbH.
Am 28.12.2015 veräußerte Ute 300 Geschäftsanteile im Nennwert von je 1 EUR sowie den neuen Geschäftsanteil Nr. 25 001 zum Kaufpreis von 26.300 EUR an ihren Ehemann, der fortan zu 5 % am Kapital der GmbH beteiligt war. In der Einkommensteuererklärung für das Streitjahr erklärte Ute aus der Veräußerung der GmbH-Geschäftsanteile einen gemäß § 17 EStG zu berücksichtigenden Verlust in Höhe von 475.000 EUR (Veräußerungspreis 26.300 EUR ./. Anschaffungskosten Geschäftsanteile 1.300 EUR ./. Aufgeld für Geschäftsanteil Nr. 25 001 i. H. v. 500.000 EUR). Nach Anwendung des Teileinkünfteverfahrens führte dieses zu einem Ansatz eines Verlustes von 285.000 EUR.
Das Finanzamt erkannte den aus der Veräußerung des neu geschaffenen Geschäftsanteils Nr. 25 001 entstandenen Verlust nicht an. In Anbetracht der hohen Anschaffungskosten (1.000 EUR Nennwert zuzüglich 500.000 EUR Aufgeld) habe es Ute insoweit an einer Gewinnerzielungsabsicht gefehlt.
Aus der Veräußerung der anderen Anteile ermittelte das Finanzamt dagegen einen nach § 17 EStG zu besteuernden Gewinn von 5.770 EUR (6.070 EUR anteiliger Veräußerungspreis ./. 300 EUR Anschaffungskosten). Die festgesetzte Einkommensteuer betrug null EUR.
Der Einspruch, mit dem Ute geltend gemacht hatte, für die Beurteilung der Gewinnerzielungsabsicht sei nicht auf den einzelnen Geschäftsanteil, sondern auf ihre gesamte Beteiligung an der GmbH abzustellen, hatte zunächst keinen Erfolg.
Das Finanzgericht und der BFH gaben jetzt Ute Recht. Die Gewinnerzielungsabsicht muss sich auf die gesamte Beteiligung an der Kapitalgesellschaft beziehen. Eine Einzelbetrachtung jedes veräußerten Geschäftsanteils ist ausgeschlossen. Von einer Gewinnerzielungsabsicht geht die höchstrichterliche Rechtsprechung bei den Einkünften aus § 17 EStG im Regelfall aus, selbst wenn die Beteiligung nur kurze Zeit gehalten wurde. Denn § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG gibt keine Mindestdauer für das Halten der Beteiligung vor, sondern lässt es genügen, dass der Steuerpflichtige zu irgendeinem Zeitpunkt innerhalb der letzten fünf Jahre vor der Veräußerung tatbestandsmäßig an der Kapitalgesellschaft beteiligt war. Bereits aus diesem Grund verfängt der Einwand des Finanzamts, Ute habe den veräußerten Geschäftsanteil Nr. 25 001 nur sieben Tage gehalten, nicht.
Hinweis
Für Veräußerungen nach dem 31.7.2019 ist ein Gestaltungsmodell, wie es im Streitfall umgesetzt wurde, nicht mehr zielführend. Gemäß § 17 Abs. 2a Satz 5 EStG ist ein im Zuge einer Kapitalerhöhung für den neu geschaffenen Anteil gezahltes Aufgeld verhältnismäßig auf sämtliche Geschäftsanteile zu verteilen. Dies gilt für Veräußerungen nach dem 31.07.2019.
Fundstelle
BFH-Urteil vom 03.05.2023, IX R 12/22