Mit dem aktuellen Beschluss vom 04. September 2024 (XI R 37/21) hat der BFH eine wichtige Entscheidung zur umsatzsteuerlichen Behandlung von Praxisgemeinschaften getroffen. Die Kernfrage war, ob Geschäftsführungsleistungen sowie weitere administrative Tätigkeiten einer Praxisgemeinschaft an ihre Mitglieder umsatzsteuerpflichtig sind oder ob die Steuerbefreiung nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. f der MwStSystRL greift. Der BFH bekräftigt mit diesem Beschluss die Steuerbefreiung für Praxisgemeinschaften unter bestimmten Voraussetzungen und setzt damit ein wichtiges Signal für ärztliche Zusammenschlüsse.
Sachverhalt
Die ärztliche Praxisgemeinschaft Gesund und Fit wurde zur gemeinsamen Nutzung von Praxisräumen, medizinischer Ausstattung und Personal gegründet. Die Gemeinschaft wurde von zwei Ärzten betrieben, wobei Fit die Geschäftsführung übernahm und hierfür eine Vergütung erhielt. Das Finanzamt vertrat die Auffassung, dass die von der Praxisgemeinschaft an ihre Mitglieder erbrachten Geschäftsführungs- und Verwaltungsleistungen steuerpflichtige Umsätze darstellen. Die Praxisgemeinschaft argumentierte dagegen, dass sie keine eigenständige wirtschaftliche Tätigkeit verfolge, sondern lediglich eine Kostenteilungsgemeinschaft sei, deren Leistungen der Steuerbefreiung unterliegen müssten.
Entscheidung des BFH
Der BFH entschied, dass eine Praxisgemeinschaft zwar umsatzsteuerlich als Unternehmerin i.S.d. § 2 Abs. 1 UStG einzustufen ist, jedoch nicht alle von ihr erbrachten Leistungen umsatzsteuerpflichtig sind. Eine Praxisgemeinschaft, die nach außen auftritt und mit Dritten Verträge abschließt, ist unternehmerisch tätig. Die bloße gemeinsame Nutzung von Infrastruktur führt jedoch nicht automatisch zu steuerpflichtigen Umsätzen an die Mitglieder. Geschäftsführungsleistungen, die ein Gesellschafter der Praxisgemeinschaft erbringt, sind nicht als steuerpflichtige Umsätze der Praxisgemeinschaft an ihre Mitglieder zu werten. Diese Tätigkeiten sind der internen Organisation der Gemeinschaft zuzuordnen und führen nicht zu einer Leistungserbringung an die Mitglieder. Die von der Praxisgemeinschaft erbrachten Leistungen sind steuerfrei, wenn sie unmittelbar der steuerfreien ärztlichen Tätigkeit der Mitglieder dienen (§ 4 Nr. 14 UStG a.F.). Dies gilt insbesondere für administrative Tätigkeiten, Reinigungsleistungen sowie Dienstleistungen von freien Mitarbeitern, sofern diese zur Heilbehandlung beitragen. Voraussetzung ist, dass die Praxisgemeinschaft lediglich eine Kostenerstattung verlangt und keine Gewinnerzielungsabsicht verfolgt.
Das Finanzamt argumentierte, dass durch die Steuerbefreiung eine Wettbewerbsverzerrung entstehen könnte. Der BFH widersprach dieser Ansicht und stellte klar, dass im Gesundheitsbereich regelmäßig keine Wettbewerbsverzerrung droht, insbesondere wenn vergleichbare Strukturen wie Gemeinschaftspraxen ebenfalls steuerbefreit agieren. Das Urteil bringt mehr Rechtssicherheit für Praxisgemeinschaften und vergleichbare Zusammenschlüsse. Praxisgemeinschaften können sich auf die Steuerbefreiung nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. f MwStSystRL berufen, wenn sie Leistungen unmittelbar für die ärztliche Tätigkeit ihrer Mitglieder erbringen. Geschäftsführungsleistungen eines Gesellschafters an die Gemeinschaft sind nicht steuerpflichtig, solange sie der internen Organisation dienen. Reinigungs- und Verwaltungsleistungen bleiben steuerfrei, sofern sie für die ärztliche Tätigkeit erforderlich sind und lediglich kostendeckend abgerechnet werden. Das Risiko von Nachforderungen durch die Finanzverwaltung wird reduziert, da der BFH klargestellt hat, dass diese Leistungen nicht zwingend der Umsatzsteuer unterliegen.
Fazit
Mit diesem Beschluss bestätigt der BFH die steuerliche Privilegierung von Praxisgemeinschaften und stärkt deren Position gegenüber der Finanzverwaltung. Ärztliche Zusammenschlüsse können sich nun mit größerer Sicherheit auf die Steuerbefreiung berufen, sofern sie die Voraussetzungen des Art. 132 Abs. 1 Buchst. f MwStSystRL erfüllen. Das Urteil zeigt, dass die reine Erstattung gemeinsamer Kosten nicht zur Umsatzsteuerpflicht führt und eine Wettbewerbsverzerrung in diesem Bereich regelmäßig nicht zu befürchten ist.
Für Praxisgemeinschaften und deren Berater ist diese Entscheidung eine wertvolle Orientierungshilfe, um umsatzsteuerliche Risiken zu minimieren und steuerliche Optimierungsmöglichkeiten gezielt zu nutzen.