Fristbeginn der Erbschaftsteuer beim Auffinden eines Testaments

Abgabenordnung

Wird ein Testament erst Jahre nach dem Erbfall entdeckt, stellt sich die Frage: Wann beginnt die Festsetzungsfrist bei der Erbschaftsteuer? Genau damit befasste sich der BFH.

Die Änderung einer Steuerfestsetzung nicht mehr zulässig, wenn die Festsetzungsfrist abgelaufen ist (§ 169 Abs. 1 Satz 1 AO). Für die Erbschaftsteuer beträgt diese Frist regelmäßig vier Jahre (§ 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO). Sie beginnt mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden ist oder eine bedingt entstandene Steuer unbedingt geworden ist (§ 170 Abs. 1 AO).

Abweichend von § 170 Abs. 1 AO beginnt gemäß § 170 Abs. 5 Nr. 1 AO für die Erbschaftsteuer die Festsetzungsfrist, bei einem 

Erwerb von Todes wegen, nicht vor Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Erwerber Kenntnis von dem Erwerb erlangt hat.

Jens ist der Neffe der im November 1988 verstorbenen Erblasserin Tante Erna. Mit Testament vom 21.6.1983 hatte sie Jens und dessen Schwester zu gleichen Teilen als Erben eingesetzt.

Mit einem weiteren Testament vom 11.8.1988 hatte sie Jens zum Alleinerben bestimmt. Diese Testamente waren zunächst nicht bekannt, weshalb das Nachlassgericht die gesetzliche Erbfolge bestätigte und Jens und seine Schwester zu jeweils 50% erbten.

Das Finanzamt setzte daraufhin mit bestandskräftigem Bescheid vom 5.07.1994 Erbschaftsteuer fest.

Im Mai 2003 fand Jens das Testament seiner Tante, legte es dem Amtsgericht vor und beantragte einen Erbschein, der ihn als Alleinerben ausweist. Dem trat seine Schwester entgegen und trug vor, Tante Erna sei bei Errichtung des Testaments testierunfähig gewesen.

Mit Vorbescheid vom 27.9.2007 kündigte das Nachlassgericht an, den Erbschein, wie von Jens beantragt, zu erteilen.

Die hiergegen gerichteten Beschwerden der Schwester hatten keinen Erfolg. Der am 7.10.2009 erteilte Erbschein wies Jens als Alleinerben aus.

Am 22.9.2010 erließ das Finanzamt einen Änderungsbescheid nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO und setzte ausschließlich gegen Jens Erbschaftsteuer fest. Der war jedoch der Auffassung, die Festsetzungsfrist sei abgelaufen.

Für die Kenntnis eines Erwerbs im Sinne von § 170 Abs. 5 Nr. 1 AO ist der rechtsgültige Erwerb maßgebend.

Da zwischen Jens und seiner Schwester jahrelang Uneinigkeit bzgl. des aufgefundenen Testaments bestand, lag eine sichere Kenntnis laut BFH erst vor, nachdem das Nachlassgericht entschieden und den Vorbescheid erlassen hatte. Das gilt auch wenn das Urteil noch anfechtbar ist oder Rechtsmittel eingelegt werden.

Die Festsetzungsfrist begann deshalb mit Ablauf des Kalenderjahres 2007 und endete gemäß § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO mit Ablauf des Jahres 2011. Der Änderungsbescheid wurde im Jahr 2010 somit fristgerecht erlassen.

Entgegen Jens´ Auffassung war die Anlaufhemmung nach § 170 Abs. 5 Nr. 1 AO durch die Erteilung des Erbscheins im Januar 1989 nicht verbraucht. Das Auffinden eines gültigen, später errichteten Testaments bildet einen neuen Rechtsgrund für den Erwerb, sodass dieser für die Anlaufhemmung maßgeblich ist.

Auf die Erteilung des Erbscheins im Jahre 2009 nach rechtskräftigem Abschluss des Erbscheinverfahrens kommt es nicht an.

Fundstelle

NWB YAAAK-03047

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