Mit einem aktuellen Urteil stärkt der BFH die Rechte von Steuerpflichtigen, die nachträglich die Vollverschonung für betriebliches Vermögen bei der Erbschaft- oder Schenkungsteuer geltend machen möchten. Im Kern geht es um die Frage, ob eine erstmalige Optionserklärung zur Vollverschonung nach § 13a Abs. 8 ErbStG auch noch im Rahmen eines Änderungsbescheids abgegeben werden kann – selbst wenn der ursprüngliche Steuerbescheid bereits bestandskräftig war.
Hintergrund
Im Streitfall hatte der Kläger im Jahr 2013 umfangreiche Gesellschaftsanteile von seinem Vater geschenkt bekommen. Das Finanzamt setzte zunächst Schenkungsteuer unter Anwendung der Regelverschonung (85 % Verschonungsabschlag) fest. Der Bescheid wurde bestandskräftig. Jahre später erfolgte eine Änderung des Steuerbescheids nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO aufgrund geänderter Feststellungsbescheide. Erst im Einspruchsverfahren gegen diesen Änderungsbescheid erklärte der Kläger die Option zur Vollverschonung gemäß § 13a Abs. 8 ErbStG.
Das Finanzamt lehnte die Berücksichtigung der Option ab: Der Änderungsrahmen sei überschritten, die ursprüngliche Steuerfestsetzung nicht materiell fehlerhaft gewesen. Die Finanzrichter in Münster gaben jedoch dem Kläger teilweise recht – und der BFH bestätigte dieses Urteil nun in vollem Umfang.
Die Kernaussagen des BFH
1. Option zur Vollverschonung ist unbefristet möglich:
Die Erklärung zur optionalen Vollverschonung kann zeitlich unbefristet abgegeben werden. Eine Fristvorgabe enthält das Gesetz nicht. Sie ist ein echtes Antragsrecht.
2. Berücksichtigung im Änderungsbescheid möglich:
Wird ein ursprünglich bestandskräftiger Bescheid auf Grundlage des § 175 AO geändert, kann die Optionserklärung im Rahmen des Änderungsumfangs berücksichtigt werden – also insoweit, wie die Änderung reicht (§ 351 Abs. 1 AO).
3. Keine „Alles-oder-nichts“-Regel:
Die Bindungswirkung des § 351 AO führt nicht dazu, dass die Option zur Vollverschonung insgesamt unbeachtlich ist, nur weil sie nicht vollständig zur Anwendung kommen kann. Eine anteilige Wirkung – begrenzt auf den Änderungsumfang – ist zulässig.
4. Vollverschonung im Umfang der Steuererhöhung:
Im Streitfall durfte die Option zur Vollverschonung insoweit berücksichtigt werden, wie sie zur Reduzierung der Steuer führte, die zuvor durch die Änderung nach § 175 AO überhaupt erst erhöht worden war.
Praxishinweis
Das Urteil schafft Rechtssicherheit für Fälle, in denen Steuerpflichtige die Option zur Vollverschonung bislang nicht ausgeübt hatten, diese aber im Rahmen eines Änderungsverfahrens nachholen möchten. Die Finanzverwaltung hatte bislang regelmäßig auf die ursprüngliche Bestandskraft verwiesen. Nun steht fest: Innerhalb des Änderungsrahmens ist die nachträgliche Antragstellung möglich – und zwar auch dann, wenn sie zu einer vollständigen Steuerfreistellung führt.