Erbschaftsteuerbefreiung für ein Familienheim

Erbschaftsteuer

Beendigung der Selbstnutzung eines Familienheims aus gesundheitlichen Gründen führt nicht zum Wegfall der Steuerbefreiung.

Die Steuerbefreiung für das Familienheim nach § 13 Abs. 1 Nr. 4 b, c ErbStG ist an eine Haltefrist von zehn Jahren gebunden. Die Steuerbefreiung fällt mit Wirkung für die Vergangenheit weg, wenn der Erwerber das Familienheim innerhalb von zehn Jahren nach dem Erwerb nicht mehr selbst zu Wohnzwecken nutzt. Das gilt nicht, wenn der Erwerber aus zwingenden Gründen an einer Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken gehindert ist.

Urteilsfall

Im Urteilsfall ist Klara Alleinerbin ihres 2009 verstorbenen Vaters. Zum Nachlass gehörte u.a. ein Grundstück mit einem 1951 erbauten Einfamilienhaus. Klara hatte dieses Haus gemeinsam mit ihrem Vater bewohnt und wohnte zunächst weiterhin im Obergeschoss. Demzufolge berücksichtigte das Finanzamt bei der Erbschaftsteuerfestsetzung die Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 4c Satz 1 ErbStG.

Klara zog am 04.08.2016 aus dem Haus aus. Am 05.08.2016 wurde das Haus abgerissen. Im Juni 2018 erfuhr das Finanzamt, dass Klara nicht mehr unter der bisherigen Anschrift gemeldet war. Klara teilte mit, das Haus sei aufgrund vieler Mängel nicht mehr bewohnbar gewesen. Sie habe auf einem Nachbargrundstück eine Wohnung angemietet. Mit einem auf § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO gestützten Bescheid setzte das Finanzamt die Erbschaftsteuer ohne die Steuerbefreiung für das Familienheim fest.

Mit Einspruch und Klage machte Klara geltend, sie sei aus zwingenden Gründen an der Selbstnutzung gehindert gewesen. Zum einen sei das Haus wegen seines baulichen Zustands überhaupt nicht mehr nutzbar gewesen. Zum anderen habe sie sich angesichts ihres Gesundheitszustands (Bandscheibenvorfälle, ein Hüftleiden, das wegen einer Angststörung nicht operabel sei) kaum mehr allein in dem Haus bewegen können und sei daher in eine Erdgeschosswohnung umgezogen. Das Finanzamt sah die gesundheitlichen Probleme nicht als nachgewiesen an und war zu-dem der Auffassung, diese hätten eine eigene Haushaltsführung nicht schlechthin ausgeschlossen.

Der BFH stellt klar, dass gesundheitliche Gründe die Nutzung zu eigenen Wohnzwecken unmöglich machen können.

Zwingende Gründe, die einer Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken entgegenstehen, liegen vor, wenn die externen Hilfe- und Pflegeleistungen ein solches Ausmaß annehmen, dass nicht mehr von einer selbstständigen Haushaltsführung gesprochen werden kann. Der BFH verwies die Sache an das Finanzgericht zurück. Die Feststellungslast für die Umstände, die eine Selbstnutzung des Familienheims objektiv unmöglich machen oder aus objektiven Gründen unzumutbar erscheinen lassen, trägt der Erwerber. Klara hat entsprechend ihrer Mitwirkungspflicht die weitere Sachaufklärung zu unterstützen. Entscheidend wird sein, ob Klara so weit auf die Hilfe Dritter angewiesen ist, dass es an einer selbstständigen Haushaltsführung fehlt.

Hinweis

Zutreffend ist, dass allein der bauliche Zustand des Gebäudes keinen zwingenden Grund für die Aufgabe der Selbstnutzung darstellt. Es handelte sich um Wirtschaftlichkeits- und damit Zweckmäßigkeitserwägungen, denn der bauliche Zustand kann grundsätzlich veränderten Lebensumständen angepasst werden.

Fundstelle

BFH-Urteil vom 01.12.2021, II R 18/20

zur Übersicht