Die Überführung eines Wirtschaftsguts vom Betriebsvermögen in das Privatvermögen ist keine Anschaffung i. S. d. § 6 Abs. 1 Nr. 1a Satz 1 EStG

Einkommensteuer

Die Entnahme einer Wohnung aus dem Betriebsvermögen ist keine Anschaffung i. S. d. § 6 Abs. 1 Nr. 1a Satz 1 EStG.

Anders als in § 23 Abs. 1 Satz 2 EStG wird die Überführung eines Wirtschaftsguts in das Privatvermögen des Steuerpflichtigen nicht durch Fiktion einer Anschaffung gleichgestellt.

Aus seinem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb entnahm der Landwirt Volker eine Wohnung zulässigerweise zum Teilwert.

Mit Ausnahme des Zeitraums von Juli 2011 bis März 2012 wurde die Wohnung sodann vermietet. Außerdem fanden umfangreiche Sanierungs- und Modernisierungsmaßnahmen statt.

Streitig ist, ob die Aufwendungen von Volker für diese Baumaßnahmen an einer aus seinem Betriebsvermögen entnommenen Wohnung sofort abziehbare Erhaltungsaufwendungen im Rahmen seiner Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung sind oder ob sie als anschaffungsnahe Herstellungskosten i. S. v. § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG im Wege der Absetzung für Abnutzung (AfA) zu berücksichtigen sind.

Der BFH stellt klar, dass die Entnahme der Wohnung aus dem Betriebsvermögen keine Anschaffung i. S. v. § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG darstellt.

Der Begriff "Anschaffung" ist im Einkommensteuerrecht nicht definiert. Eine Anschaffung ist dann anzunehmen, wenn ein Wirtschaftsgut entgeltlich erworben wird. Bei der Entnahme eines Wirtschaftsguts aus dem Betriebsvermögen in das Privatvermögen fehlt es an einer solchen Gegenleistung.

Nach dem Wortsinn setzt eine "Anschaffung" außerdem den Übergang von Vermögen zwischen verschiedenen Personen voraus. Bei der Überführung eines Wirtschaftsguts aus dem Betriebsvermögen in das Privatvermögen desselben Steuerpflichtigen fehlt es am Rechtsträgerwechsel. Anders als in § 23 Abs. 1 Satz 2 EStG wird in § 6 Abs. 1 Nr. 1a Satz 1 EStG die Überführung eines Wirtschaftsguts in das Privatvermögen des Steuerpflichtigen durch Entnahme nicht durch Fiktion einer Anschaffung gleichgestellt.

§ 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG dient der Gleichstellung von Investoren beim Erwerb von intakten Immobilien einerseits und von renovierungsbedürftigen Gebäuden andererseits. Erwerber einer intakten Immobilie können die Anschaffungskosten nur im Wege der AfA geltend machen. Käufer einer renovierungsbedürftigen Immobilie, die einen geringeren Kaufpreis zahlen, könnten dagegen ohne die Regelung des § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG die anschließenden Instandhaltungsmaßnahmen als sofort abziehbare Werbungskosten geltend machen, so dass es steuerlich vorteilhafter wäre, Objekte mit Renovierungsstau zu erwerben.

Bereits die Anknüpfung am Erwerb spricht dafür, dass die Regelung auf einen tatsächlichen Anschaffungsvorgang mit Übergang des wirtschaftlichen Eigentums und Rechtsträgerwechsel abzielt. Bei der Überführung in das Privatvermögen durch Entnahme besteht daher keine eine Analogie rechtfertigende vergleichbare Interessenlage.

Außerdem fehlt es bei einer Entnahme des Gebäudes aus dem Betriebsvermögen in das Privatvermögen an dem festgelegten Maßstab in Gestalt der Grenze von "15 % der Anschaffungskosten" des Gebäudes. Der bei der Entnahme anzusetzende Teilwert erfüllt nicht die Tatbestandsmerkmale des Anschaffungskostenbegriffs. Auch in der Legaldefinition der Anschaffungskosten in § 255 Abs. 1 Satz 1 HGB kommt durch den Begriff des Erwerbs das Erfordernis des Rechtsträgerwechsels zum Ausdruck.

Der BFH hat die Sache an das Finanzgericht zurückverwiesen. Dieses hat noch zu klären, ob die Aufwendungen für die Baumaßnahmen möglicherweise (ganz oder teilweise) Herstellungskosten darstellen, die ebenfalls lediglich im Wege der AfA zu berücksichtigen wären.

Fundstelle

BFH-Urteil vom 03. Mai 2022, IX R 7/21

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