Was geschieht, wenn die Rentenversicherung falsche Daten an das Finanzamt meldet, diese aber später berichtigt? Der Fall einer Steuerpflichtigen mit fehlerhaften Rentenmitteilungen zeigt, dass § 175b AO weiter reicht, als viele annehmen und auch bestandskräftige Bescheide noch geändert werden können.
§ 175b AO regelt die Änderung von Steuerbescheiden, wenn von einer mitteilungspflichtigen Stelle übermittelte Daten nicht oder nicht zutreffend berücksichtigt wurden. Die Vorschrift ergänzt § 175 AO, weil elektronische Datenübermittlungen keinen Grundlagenbescheid darstellen, in der Praxis aber eine vergleichbare Wirkung entfalten. Streitpunkt war, ob § 175b AO auch dann greift, wenn die ursprünglich übermittelten Daten korrekt verarbeitet, später jedoch korrigiert wurden.
Eine Steuerpflichtige bezog mehrere Leibrenten, darunter eine private Versicherung, die zunächst als befristete private Leibrente gemeldet wurde. Das Finanzamt übernahm diese Angabe und besteuerte die Rente mit einem Ertragsanteil von 7 Prozent. Später übermittelte die Versicherung korrigierte Daten. Danach handelte es sich um eine Basisrente nach § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe b EStG, die zu 66 Prozent steuerpflichtig ist.
Das Finanzamt änderte daraufhin die bestandskräftigen Bescheide nach § 175b Abs. 1 AO. Die Klägerin hielt dies für unzulässig, da die ursprünglichen Daten zutreffend verarbeitet worden waren.
Das Niedersächsische FG entschied jedoch: § 175b Abs. 1 AO erlaubt eine Änderung auch dann, wenn die ursprünglich übermittelten Daten korrekt berücksichtigt, später aber korrigiert wurden. Maßgeblich ist der Zweck der Norm, nämlich die Herstellung materieller Richtigkeit. Damit kann das Finanzamt auch bei bestandskräftigen Bescheiden korrigierte elektronische Daten nachträglich berücksichtigen.
Die Revision wurde zugelassen (BFH Az. X R 31/24).
Das Urteil verdeutlicht: Auch wenn das Finanzamt die ursprünglich übermittelten Daten ordnungsgemäß verarbeitet hat, kann eine spätere Korrektur des Datensatzes eine neue Änderungspflicht auslösen. Entscheidend ist, ob die korrigierten Daten rechtserheblich sind, also zu einer anderen Steuer führen würden.
Steuerberater sollten daher bei geänderten Rentenbezugsmitteilungen prüfen, ob § 175b AO eine Anpassung ermöglicht, selbst wenn der Bescheid bereits bestandskräftig ist.
Fazit
§ 175b AO verschiebt das Spannungsverhältnis zwischen Rechtsrichtigkeit und Rechtssicherheit zugunsten der materiellen Gerechtigkeit. Wer sich auf die Bestandskraft verlässt, muss künftig auch nach Jahren mit einer Änderung rechnen, sobald ein Versicherungsträger seine elektronischen Daten korrigiert.
Fundstelle
Niedersächsisches FG, Urteil v. 7.11.2024, 2 K 78/24