Nachdem über viele Jahre von Finanzverwaltung und Rechtsprechung die Unternehmereigenschaft bejaht wurde, unterscheidet die Finanzverwaltung derzeit nach diversen EuGH- und BFH-Entscheidungen bei dieser Frage nach der Vergütung, die dem Aufsichtsratsmitglied gezahlt wird:
Eine unternehmerische Tätigkeit wird derzeit angenommen, wenn die Vergütung zu mindestens 10 % aus variablen Bestandteilen besteht. Eine variable Vergütung liegt danach insbesondere bei einer sitzungsabhängigen Vergütung vor. Dann wird ein Vergütungsrisiko und somit Selbständigkeit angenommen.
Keine unternehmerische Tätig liegt demnach vor, wenn die Vergütung nicht zu mindestens 10 % aus variablen Bestandteilen besteht. Dann werde ein Vergütungsrisiko und eine Selbständigkeit verneint.
Sachverhalt
Karl (K) war als Aufsichtsratsvorsitzender für mehrere Gesellschaften innerhalb einer Unternehmensgruppe tätig. Für seine Tätigkeit erhielt er eine sitzungsabhängige Vergütung. Entsprechend der bisherigen Auffassung der Finanzverwaltung erklärte K die Vergütung, für die er Rechnungen unter Ausweis der Umsatzsteuer erteilt hatte, als umsatzsteuerbare und steuerpflichtige Umsätze.
Die AGs waren wegen steuerfreier Umsätze sämtlich nicht zum Vorsteuer-Abzug berechtigt.
Aufgrund der EuGH- und BFH-Rechtsprechung zur fehlenden Unternehmereigenschaft von Aufsichtsräten beantragte K später eine Änderung der verfahrensrechtlich noch offenen Umsatzsteuerbescheide. Dies wurde vom FA abgelehnt, da aus Sicht des FA eine variable Vergütung vorliege und daher der Sachverhalt nicht mit dem vom EuGH und BFH entschiedenen Sachverhalt (dort ging es um nicht variable Festvergütungen) vergleichbar sei. Außerdem seien die Urteile des EuGH und BFH, welche der bisherigen Auffassung der Finanzverwaltung in Abschn. 2.2 Abs. 3 UStAE widerspreche, nicht anzuwenden, da es (zum damaligen Zeitpunkt) noch nicht im BStBl. veröffentlicht worden ist.
Lösung
Das FG widerspricht dem FA und legt ausführlich dar, warum es aus seiner Sicht an einer Unternehmereigenschaft i. S. d. § 2 Abs. 1 UStG fehlt:
- K in seiner Funktion als Vorsitzender des Aufsichtsrats und damit als Mitglied eines gesetzlich vorgesehenen Organs der AG, tritt nicht in eigenem Namen und nicht in eigener Verantwortung auf. K ist nur Mitglied des Aufsichtsrats.
- K trug mit Blick auf seine Vergütung auch kein wirtschaftliches Risiko, da seine Vergütung sich aus der Satzung ergab. Sie lag nicht im Einflussbereich des K, sondern wurde von der Hauptversammlung bewilligt. Die Vergütung ist direkt mit der Mitgliedschaft im Aufsichtsrat verbunden. Eine variable Vergütung liegt nicht vor.
- Er trägt auch kein wirtschaftliches Risiko wegen der Inanspruchnahme aufgrund von Schäden durch Pflichtverletzung. Dieses Risiko wurde vollständig durch Abschluss von Versicherungsverträgen zugunsten des K ausgeschlossen, sodass er im Ergebnis kein Haftungsrisiko trage.
- Da K weder im eigenen Namen tätig wurde noch ein wirtschaftliches Risiko trug, handelte es sich bei seiner Aufsichtsratstätigkeit nicht um eine unternehmerische Tätigkeit i. S. d. § 2 Abs. 1 UStG.
Hinweis
Gegen das Urteil des FG ist Revision zugelassen und von der Finanzverwaltung auch eingelegt worden (Az. des BFH XI R 35/23). Es bleibt abzuwarten, wie der BFH entscheidet. Entsprechende Fälle sollten offengehalten werden.
Zwischenzeitlich hat auch der EuGH (EuGH-Urteil, 21.12.2023, C-288/22 Rs. TP, MwStR 2024, 92) festgestellt, dass allein eine variable Vergütung eines Verwaltungsrates (im Streitfall eine am Erfolg der Gesellschaft orientierte Tantieme) nicht zu einem wirtschaftlichen Risiko führt. Für die Unternehmereigenschaft müsse der Verwaltungsrat das Verlustrisiko der Gesellschaft mittragen, um Unternehmer i. S. d. § 2 Abs. 1 UStG zu sein.
Ein Fall von § 14c UStG?
Neben der Frage der Unternehmereigenschaft von Aufsichtsräten musste das FG Köln noch auf einen weiteren Punkt eingehen: Liegt ein Fall von § 14c UStG vor, da K Rechnungen mit gesondert ausgewiesener Umsatzsteuer erteilt hatte?
Aus Sicht der Richter in Köln ist § 14c UStG nicht anwendbar. Sie berufen sich auf das EuGH-Urteil zu einem österreichischen Indoor-Spielplatzbetreiber (EuGH-Urteil, 08.12.2022, C-378/21 Rs. P-GmbH, NWB TAAAJ-29638). Der EuGH hat in diesem Urteil die Gefährdung des Steueraufkommens verneint, wenn der Leistungsempfänger eine nicht zum VorSt-Abzug berechtige Privatperson ist.
Das FG Köln geht hier weiter und verneint eine Gefährdung des Steueraufkommens auch dann, wenn der Leistungsempfänger ein nicht vorsteuerabzugsberechtigter Unternehmer ist.
Dies widerspricht jedoch der Auffassung der Finanzverwaltung gem. BMF-Schreiben vom 27.02.2024, BStBl 2024 I S. 361, Rz. 10, wonach die Steuer nach § 14c UStG auch dann entsteht, wenn die Leistung z. B. an einen Kleinunternehmer oder einen Unternehmer mit Ausgangsumsätzen, die den Vorsteuer-Abzug ausschließen, ausgeführt wird.
Hinweis
Der BFH wird also in seiner Revisionsentscheidung neben der Frage der Unternehmereigenschaft von Aufsichtsräten ebenfalls dazu Stellung beziehen müssen, ob die EuGH-Entscheidung "Rs. P-GmbH" auch auf Rechnungen an Unternehmer, die nicht zum Vorsteuer-Abzug berechtigt sind, anzuwenden ist. Halten Sie diesbezügliche Fälle durch Einsprüche offen.
Fundstelle
Urteil des FG Köln, 15.11.2023, 9 K 1068/22, Revision eingelegt, Az. des BFH XI R 35/23